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Vorwort, Geburt und Jugendzeit des Antonius

Leben des heiligen Antonius (Vita Antonii)

Verfasser: Hl. Athanasius, der Apostolische

Text aus: Athanasius, Ausgewählte Schriften Band 2. Aus dem Griechischen übersetzt von Anton Stegmann. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 31) München 1917.

Empfohlene Literaturquellen über den Hl. Antonius, den Großen

über das Leben des heiligen Antonius sind besorgt in:

Patrologia Graeca, ed. J. P. Migne, Bd. 26, S. 835-976.

Patrologia Latina, Bd. 73, S. 125-170.

Gerard Garitte, S. Antonii vitae, versio sahidica, Löwen 1949 = Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 117 = Scriptores Coptici 13.

G. J. M. Bartelink (ed.), Vita di Antonio, testo critico e commento. Introduzione di Christine Mohrmann, traduzione di Pietro Citati e Salvatore Lilla, Milano 1974.

A. Wilmart, Une version latine inedite de la vie de saint Antoine, in: Rben 31, 1914, S. 163-173.

Weitere Übersetzungsausgabe:

H. Mertel, Des hl. Athanasius Leben des hl. Antonius, Kempten/ München 1917 = Bibl. Der Kirchenväter 31.

Eine gut lesbare, aber mehr erbauliche Übersetzung bietet:

Nikolaus Hovorka (Hrsg.), Leben und Versuchungen des hl. Antonius = Kleine historische Monographien, 3. Bd., Wien/Berlin 1925.

 

Weitere Literatur dazu:

H. Dörries, Die Vita Antonii als Geschichtsquelle. Nachrichten d. Akademie d. Wiss. in Göttingen, 1949/14 = Ders., Wort und Stunde I. Göttingen 1966, S. 145-224 (Neufassung).

A. Eichhorn, Athan., de vita ascetica testimonia collata, Halis Sax. 1886 (Diss.).

J. Mayer im Katholik 1 (1886)S. 495 ff., 619 ff., 2 (1887).

R. Reitzenstein, Des Athanasios Werk über das Leben des Antonius, Sitzungsberichte d. Akademie d. Wiss. In Heidelberg 1914.

B. Steidle, Antonius Magnus Eremita, 356-1956, hrsg. von B. Steidle, Studia Anselmiana, Fasc. 38, Rom 1956.

 

 

Einleitung

Nun was lässt sich über die Entstehung der lateinischen Übersetzung Vita des Antonius ermitteln? Die griechische Vita (geschrieben von dem koptischen Patriarchen Athanasius von Alexandria in griechischer Sprache) ist 357 oder 365 entstanden und war offenbar für den Westen des Reiches bestimmt. Man brauchte aber hier eine lateinische Fassung; Evagrius kam um 362 nach Italien; dann hat er die Übersetzung in Italien unter dem Einfluss seines Freundes Hieronymus gefertigt, so ist der Ansatz 365 zu verwerfen.

Politischer Hintergrund

Ägypten war unter allen Ländern, die zum römischen Reich gehörten, am dichtesten bevölkert; seine Einwohnerzahl betrug ungefähr 7 Millionen. Die Landeshauptstadt Alexandria war zur Zeit des hl. Antonius nach Rom die größte Stadt des Reiches, ihre Einwohner sprachen fast ausschließlich griechisch. Auf dem ägyptischen Lande dagegen herrschten die Nachkommen der alten Ägypter vor, nämlich die Kopten. Im Gegensatz zu den Griechen; die Bewohner Alexandrias, besaßen die Kopten nicht das römische Bürgerrecht und lebten in sehr gedrückten Verhältnissen, die sich in der Folgezeit noch mehr verschlechtert haben.

Wirtschaftlicher Hintergrund

Antonius stammte von einer sehr reichen koptischen Freibauernfamilie ab. Sie besaßen 300 Aruren. Ein ägyptisches Feldmaß von 100 königlichen Ellen im Quadrat, gleich 2756 qm. Jeder Krieger des alten Ägypten hatte einen steuerfreien Besitz von 100 Aruren, gleich 27,56 ha. Der Grundbesitz des Antonius war also nicht unbedeutend. Ganz Ägypten war übrigens mit diesem Maß, das die Römer bestehen ließen, vermessen; ägyptisch hieß es „set“. Vgl. Pauly- Wissowa, Realenzyklopädie der klass. Alt. Bd.II Sp.1491.

Die geographische Lage des Antonius- Klosters am Roten Meer

Zwischen dem Nil und dem Roten Meer erstreckt sich von Süden nach Norden ein unwirtliches, wasserloses Gebirge, zu dem auch der Berg des Antonius, Kolzim, gehört. Das westlich des Nils gelegene Steppengebiet hieß im Norden, südlich von Alexandria, die Nitrische Wüste. Noch weiter südlich hieß das Land als Anfang der eigentlichen Lybischen Wüste die Wüste von Sketis. Ganz im Süden Ägyptens, auf beiden Seiten des Nils, lag oberhalb der Katarakte die berühmte Thebais (die große Wüste). Die alten Ägypter bestatteten hier links des Nils ihre Toten in natürlichen Höhlen und künstlichen Grabkammern. Hierher zogen sich später die christlichen Einsiedler zurück.

Antonius

Zwei lateinische Übersetzungen dieser Vita Antonii haben seit etwa 380 auch im Westen für die Idee des Mönchtums geworben. Athanasius schildert den inspirierten koptischen Einsiedler als den vollkommenen Christen, der ebenso gegen die Dämonen kämpft wie gegen Häresie und Heidentum.

Ende des dritten Jahrhunderts hören wir zuerst von der Gründung eines Asketenvereins; in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ist das Mönchtum entstanden. Seine Wurzeln liegen in der Entwicklung des christlichen Lebensideals, das auf die Erlangung der Seligkeit und auf sittliche Vervollkommnung durch Weltflucht gerichtet war. Weder die Christenverfolgungen noch der Neuplatonismus scheinen einen bestimmenden Einfluss darauf ausgeübt zu haben.

Der Kopte Antonius ist für uns die erste geschichtlich greifbare Persönlichkeit, die dieses Leben führte.

Antonius war im Jahre 251 zu Koma bei Herakleopolis in Mittelägypten geboren. Er stammte von vornehmen Eltern ab und widmete sich nach ihrem Tode der Askese bis 271. Seit 306 sammelten sich Schüler um ihn, und wurde so gegen seinen Willen aus einem Einsiedler zu einem Vater einer Einsiedlergemeinde. Eine feste Organisation hat er noch nicht geschaffen. Seine Klöster „Monasteria“ waren freie Vereinigungen unter der Seelenleitung des Heiligen. Nach Hieronymus fand er im neunzigsten Jahre seines Lebens den heiligen Paulus, der schon 90 Jahre in der Wüste gelebt hatte und dem Tode nahe war, und bestattete den Leichnam des Alten, nachdem er von ihm noch reiche Belehrung empfangen hatte. Der heilige Antonius starb dann auf dem Berge Kolzim am Roten Meere 356 im Alter von hundertfünf Jahren.

Schriften des Hl. Antonius

Der Hl. Antonius hat durch andere Briefe in koptischer und griechischer Sprache gewechselt; erhalten hat sich die griechische Fassung eines ursprünglich koptisch geschriebenen Briefes an den Abt Theodorus und seine Mönche. Außerdem liegen zwei Briefsammlungen vor, und auch durch Hieronymus (vir. Ill. 88) sind sieben griechische, aus dem Koptischen übertragene Briefe bezeugt.

Evagrius schickt folgenden Prolog voraus: Presbyter Evagrius seinem teuersten Sohne Innozentius Gruß im Herrn. Die wörtliche Übersetzung aus einer Sprache in die andere verhüllt den Sinn und erstickt das Korn wie mit üppigem Grase. Während nämlich die Darstellung sich sklavisch den Wort- und Redeformen anschmiegt, legt sie auf einem langen Umweg das nur mit Mühe dar, was sie sonst mit einem kurzen Ausdruck bezeichnen könnte. Um diesen Fehler zu vermeiden, habe ich auf Deine Bitte das Leben des seligen Antonius so übersetzt, dass nichts vom Sinne fehlt, wenn auch manches von den Worten. Andere mögen nach Silben und Buchstaben jagen, Du frage nur nach dem Sinne.

Abkürzungen der biblischen Bücher, die in diesem Buch zitiert wurden:

 

Apg Apostelgeschichte Luk Lukas
1.Chr 1. Chronik Mk Markus
2.Chr 2. Chronik Mt Matthäus
Dan Daniel 1.Mose Genesis
Ebd Obadja (Ebadja) 2.Mose Exodus
Eph Epheser 3.Mose Levitikus
Gal Galater 4.Mose Numeri
Hab Habakuk 5.Mose Deuteronomium
Hebr Hebräer Offb Offenbarung
Hes Hesekiel (Ezechiel) 1.Petr 1.Petrus
Hiob Hiob (Ijob) 2.Petr 2.Petrus
Hos Hosea Phil Philipper
Jak Jakobus Phlm Philemon
Jer Jeremia Ps Psalmen
Jes Jesaja Ri Richter
Joh Johannes Röm Römer
1.Joh 1.Johannes 1.Sam 1.Samuel
2.Joh 2.Johannes 2.Sam 2.Samuel
Jos Josua Sir Sirach
Jud Judas Spr Sprüche(Sprichwörter)
Klgl Klagelieder 1.Thess 1.Thessalonicher
1.Kön 1.Könige 2.Thess 2.Thessalonicher
2.Kön 2.Könige 1.Tim 1.Timotheus
Kol Kolosser 2.Tim 2.Timotheus
1.Kor 1.Korinther Tit Titus
2.Kor 2. Korinther Kap Kapitel
Vgl Vergleiche!

 

 

Die vorliegende Übersetzung, eingeteilt in 94 Kapitel, wurde angefertigt nach dem griechischen Text von Migne in: PG (Patrologia Graeca, ed. J. P. Migne, Bd. 26, S. 835-976).

Bemerkung

Was zwischen runden oder eckigen Klammern steht, sind Erläuterungen oder Bemerkungen oder Bibelverse, die ursprünglich nicht in der originalen Version der Lebensgeschichte stehen, aber ich habe sie hinzugefügt, um den Text für die Leser verständlicher zu machen. Außerdem sind die extra zitierten Bibelstellen rot geschrieben. (ff. ist eine Abkürzung und steht für „und folgende Verse“). Bibelzitate stehen zwischen runden Klammern. Und Bibelverse, die nicht in der originalen Version stehen, habe ich in eckige Klammer zitiert.

Vorwort: Zweck und Entstehung der Vita.

 

Leben und Wandel unseres frommen Vaters Antonius, verfasst und abgesandt an die Mönche in der Fremde von unserem heiligen Vater Athanasius, Bischof in Alexandria.

 

Einen trefflichen Wettstreit habt ihr mit den Mönchen in Ägypten begonnen, da ihr euch vornahmt, jenen gleich zu werden oder sie womöglich noch zu übertreffen durch eure Übung in der Tugend. Denn auch bei euch gibt es jetzt Kloster, und der Name „Mönch“ hat Geltung. Diesen euren Vorsatz kann man mit Recht loben, und Gott wird auf euer Gebet hin die Erfüllung gewähren. Ihr habt euch aber auch an mich gewandt wegen des Lebenswandels des seligen Antonius und wollt erfahren, wie er mit der Askese anfing, wie er vor ihr gewesen ist und welches sein Lebensende war, ferner, ob das, was man von ihm berichtet, wahr sei – um nach seinem Vorbild eure Bahn zu wandeln -; euren Auftrag habe ich mit großer Bereitwilligkeit übernommen; denn auch für mich ist schon die bloße Erinnerung an Antonius ein großer und nützlicher Gewinn. Ich weiß dazu, dass auch ihr, wenn ihr alles gehört habt, diesen Mann nicht nur bewundern, sondern ihm auch nacheifern werdet in seinem Vorsatz; denn das Leben des Antonius ist für Mönche ein treffliches Vorbild der Askese. Dem, was ihr von anderen über ihn habt berichten hören, sollt ihr nicht misstrauen, glaubt vielmehr, dass ihr nur wenig von ihnen vernommen habt; übrigens haben sie wohl kaum so vieles von ihm erzählt.

Denn auch ich sende euch auf eure Bitte nur einen dürftigen Bericht aus einer Erinnerung, wie viel das auch sei, was ich in diesem Schreiben erzähle. Ihr aber lasst nicht ab, die zu befragen, welche von uns zu euch kommen. Denn vielleicht wird nur so, wenn jeder sagt, was er weiß, die Darstellung seines Lebens seiner annähernd würdig. Nachdem ich euer Schreiben empfangen hatte, wäre es mein Wunsch gewesen, einige von den Mönchen kommen zu lassen, die besonders häufig seines vertrauten Umganges genossen; ich hätte mich so selbst besser unterrichtet und euch ein reicheres Lebensbild entwerfen können. Aber die Reisezeit neigte sich ihrem Ende zu und der Bote hatte es eilig; daher habe ich es mir angelegen sein lassen, eurer Heiligkeit das zu berichten, was ich selbst weiß – denn ich habe ihn ja oft gesehen und was ich von ihm erfahren konnte, als ich ihm geraume Zeit danach nachfolgte und Wasser über seine Hände goss – überall bemüht um die Wahrheit, damit man nicht zuviel vernehme und misstrauisch werde, andererseits aber auch nicht weniger als sich gebührt erfahre und dann den Heiligen verachte.

 

[Bemerkung: Diese letzte Stelle erinnert an Elisas Dienst bei Elia : „Hier ist Elisa, der Sohn Schafats, der Elia Wasser auf die Hände goss“(2.Kön 3,11)].

1. Geburt und Jugendzeit des Antonius.

Antonius war ein Ägypter und stammte von edlen Eltern ab, die ein auskömmliches Vermögen besaßen; da sie selbst Christen waren, wurde auch er christlich erzogen. Als Kind wuchs er bei den Eltern auf und kannte nichts anderes als sie und das elterliche Haus. Als er aber zum Knaben heranwuchs und in ein reiferes Alter kam, da wollte er vom Unterricht im Lesen und Schreiben nichts wissen; denn er wünschte sich fernzuhalten vom Verkehr mit den anderen Kindern. Seine ganze Sehnsucht war darauf gerichtet, wie von Jakob geschrieben steht, dass er in Einfalt wohne in seinem Hause [„Und als nun die Knaben groß wurden, wurde Esau ein Jäger und streifte auf dem Felde umher, Jakob aber ein gesitteter Mann und blieb bei den Zelten“(1.Mose 25,27)]. Er besuchte jedoch mit seinen Eltern die Kirche; dabei aber war er nicht, wie Kinder pflegen, ausgelassen oder ein Verächter, wie das bei Erwachsenen der Fall ist. Nein, er war gehorsam den Eltern und merkte auf die Lesungen, um ihren Nutzen in sich zu bewahren. Er, der als Kind in mäßigen Verhältnissen lebte, fiel seinen Eltern auch nicht lästig wegen einer mannigfaltigen und reichlichen Kost; er suchte darin gar keine Ergötzung, sondern ließ sich an dem genügen, was er vorfand, und verlangte nichts weiter.